Die Geschichte von Ingrid Radochla
2. Preis im Wettbewerb „Die besten Lausitzgeschichten“ (Einzelgeschichte)
Streng genommen bin ich eine Zugezogene. Anfang 1945 floh meine Familie aus Florsdorf, im damaligen Landkreis Görlitz. Heute heißt der Ort Zarska Wjes und liegt in Polen. Noch kurz vor Beginn unserer Flucht wurde ich, unter Kanonendonner, am 11. Februar getauft. Mein Vater konnte nicht an der Taufe teilnehmen, da er seit meiner Geburt keinen Fronturlaub mehr erhalten hatte.
Meine Großeltern und Eltern verloren durch den Zweiten Weltkrieg alles. Wir zogen mit dem Flüchtlingstreck nach Westen und kamen bei Bekannten in Hohenstein-Ernstthal unter. Dort blieben wir, bis uns der Vater meiner Mutter im Sommer 1945 zu sich nach Geierswalde holte. Bei ihm fanden wir in diesen wirren Zeiten ein neues Zuhause. Ich erinnere mich nicht an die Flucht, kenne aber die Erzählungen meiner Großeltern, meiner Mutter und meines vier Jahre älteren Bruders Dieter. Es muss schlimm gewesen sein. Wir marschierten an Dresden vorbei, als es gerade bombardiert wurde. Meine Mutter erzählte, dass sie die Stadt am Horizont tagelang brennen sah.
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